Treue

Ich hatte bereits erwähnt, dass es sich bei Liebe und sexueller Anziehung um unterschiedliche Energien handelt. Es sind unterschiedliche Energien mit unterschiedlichen Charakteristiken.

Sexuelle Anziehung ist relativ unpersönlich. Sie kann sich auf alle möglichen potentiellen Sexualpartner richten und das tut sie im Allgemeinen auch.

Leider ändert daran auch eine Liebe nichts.

Das ist jetzt wieder einer jener unangenehmen Widersprüche, die Menschen dazu verleiten, sich in Illusionen und Selbstlügen zu verstricken.

Ausgangssituation ist also folgende:

Es gibt einen Partner, den man liebt und trotzdem tauchen immer wieder andere auf, mit denen man mal gern "in die Kiste springen" würde.

Vordergründig betrachtet gibt es zwei "Lösungen":

  1. Man geht seinen Bedürfnissen in aller Freiheit nach und *** sich ordentlich durch.
  2. Man unterdrückt oder ignoriert die aus der Beziehung herausgerichteten Bedürfnisse und redet sich ein, sie wären gar nicht da.

Beide Lösungen sind nicht wirklich optimal:

Bei der ersten Lösung tut man dem Partner weh (muss er halt durch).

Und bei der zweiten Lösung geschieht folgendes:

Es scheidet ein Teil der eigenen Sexualität aus dem Leben aus. Es ist wie schon ein paar Kapitel zuvor ein Teil der eigenen Lebensenergie. Aber es ist ein spezifischer Teil, der mit Sexualität zu tun hat. Man verliert sexuelle Anziehungskraft (auch für den eigenen Partner) und man verliert sexuelle Lust.

Genau DAS killt die Lust in Beziehungen. Das ist genau einer der Hauptgründe, warum in Beziehungen nichts mehr los ist.

Das haben wir jetzt fein hingekriegt: ein Problem, für das es keine Lösung gibt.

Es gibt aber doch eine Lösung.

Wer die Kapitel zuvor aufmerksam gelesen hat, kann sich vielleicht sogar schon denken, wie sie aussieht:

Es geht darum, das Verhalten von den Gefühlen zu entkoppeln und die Gefühle trotzdem zuzulassen.

Normalerweise sind Gefühle und Verhalten immer aneinander gekoppelt:

In BEIDEN Fällen sind die Gefühle fest mit dem Verhalten verbunden.

Diese Verbindung gilt es jetzt aufzulösen:

Das ist ein starker Widerspruch, der den üblichen Verhaltensweisen klar zuwiderläuft.

Und was geschieht?

Unsere Laune erhält einen ziemlichen Dämpfer - vorsichtig ausgedrückt.

Wir durchlaufen eine Phase sexueller Frustration. Diesen Gefühlen gilt es nun, sich offen zu stellen.

Und das führt zu einer Veränderung:

Wenn die Beziehung, für die wir das tun, auf einer gesunden Grundlage steht, dann kommen wir irgendwann aus diesen negativen Gefühlen heraus und begegnen unserem Partner auf einem neuen Niveau.

Die sexuellen Lustgefühle haben sich transzendiert. Liebe hat sie transzendiert und in die Beziehung kanalisiert.

Das bedeutet eine deutliche Steigerung sexuellen Erlebens - eine Steigerung, die man außerhalb der Beziehung nicht hätte erreichen können.

Wie schon zuvor ist auch hier Liebe die Grundlage - eine Liebe, die wirklich Liebe ist.

Man kann aus Liebe Dinge tun, zu denen man sonst nicht fähig wäre.

Und die Beziehung wächst immer weiter. Die Vorstellung von Beziehungen, die am Anfang schön sind und dann kontinuierlich nachlassen, ist vollkommen falsch. Dieses Nachlassen kommt daher, dass die mit der Beziehung verbundenen Aufgaben nicht gelöst werden.

Wie ist das in den Märchen?

Da muss man gefährliche Abenteuer bestehen und dann noch einen Drachen besiegen und wenn man das alles überlebt hat, gibts die Prinzessin zur Frau. Das ist genau das Gleiche, wie im richtigen Leben, nur ein bisschen symbolisch verklausuliert.

Ein paar Missverständnisse möchte ich vermeiden:

Dieser Text enthält keinerlei moralische Wertung von Untreue oder Fremdgehen. Die hier beschriebenen Prozesse funktionieren sowieso nur, wenn ein Mensch diesen Weg gehen WILL.

Es ist ein praktischer Wegweiser für Menschen, die in Beziehungen wachsen wollen, weil sie sich aus freien Stücken dafür entschieden haben.

Und das ist etwas ganz anderes als "treu" zu sein, weil man sich aufgrund äußerer Konventionen dazu gezwungen sieht.

Aus meiner Sicht ist es ebenso in Ordnung, sich für einen anderen Weg zu entscheiden.

nächstes Kapitel: Das Zyklische (Beziehungsprobleme)