Zweifel
Wenn man also einem Menschen begegnet, der der richtige Partner sein könnte, ist einerseits alles sehr schön ... aaaaber .... wenn da die Zweifel nicht wären, die sich von Zeit zu Zeit immer wieder zeigen.
Es könnte doch alles so einfach sein: Man begegnet dem oder der Richtigen, ist total verliebt und lebt glücklich bis ans Lebensende.
So läuft es aber leider nicht.
Immer wieder kommen sie hoch: die Zweifel
Das bedeutet: Man trägt beide Seiten in sich: Das JA zu der Beziehung und das NEIN zu der Beziehung.
Mal kommt die eine Seite hoch und dann wieder die andere.
Nun gibt es nichts Unangenehmeres im Leben als so einen Widerspruch: Man kann doch nicht zu einer Sache gleichzeitig ja und nein sagen! Ist man jetzt völlig durchgedreht?
Deshalb ist die übliche Reaktion auf diese Situation auch folgende:
Man entscheidet sich für eine der beiden Sichtweisen und drückt die andere weg. Man unterdrückt und ignoriert sie einfach so lange, bis sie sich nicht mehr meldet.
Das Dumme ist nur: Beide Seiten sind legitime Sichtweisen. Jede der beiden Seiten ist auf ihre Weise wahr.
Es gibt ja zwei Möglichkeiten, je nachdem für und gegen welche der beiden Sichtweisen man sich entscheidet:
Man entscheidet sich für den Partner und gegen die Zweifel. Das heißt, Zweifel unterdrücken und abwürgen, bis sie Ruhe geben. Leider hat das aber zur Folge, dass die Zweifel wachsen. Sie wachsen unterirdisch im Verborgenen und beginnen immer stärker auf die Beziehung zu drücken. Nach außen hin sieht das so aus, dass der Umwelt auf übertriebene Weise die "absoluter Traumpartner gefunden"-Masche vorgespielt wird. Alle sollen wissen, dass hier die ganz große Liebe eingeschlagen hat. (Wir kennen das von diversen prominenten Paaren.) Das Schauspiel für die Umgebung ist eine Kompensation der unterirdisch weiternagenden Zweifel. Völlig überraschend (allerdings nicht für den wissenden Beobachter) trennt sich das Traumpaar dann irgendwann nach gar nicht allzu langer Zeit.
Oder Variante 2:
Man entscheidet sich gegen den Partner und für die Zweifel. Also schnell ein Herz gebrochen, aber wenigstens nerven einen nicht mehr diese lästigen Widersprüche. Leider hat man damit auch einen Teil von sich selbst gekillt und dabei jede Menge Energie verloren - Lebensenergie. Es ist nicht so, dass diese Lebensenergie ganz verloren wäre, aber sie ist kaltgestellt und nimmt erst mal nicht mehr am Leben teil. Das bedeutet, das Leben wird wieder ein bisschen grauer, eintöniger, langweiliger, trostloser.
Gut. Aber wie sieht die Lösung aus?
Beide Sichtweisen sind richtig. Beide Sichtweisen haben ihre Berechtigung: Das Ja zur Beziehung und die Zweifel ebenso.
Man muss hier folgendes wissen: Beide Sichtweisen setzen sich zusammen aus bestimmten (legitimen) Wünschen und Bedürfnissen, die man hat UND bestimmten Ansichten darüber wie diese Welt beschaffen ist.
An den Wünschen und Bedürfnissen lässt sich nichts ändern. Aber an den Ansichten über die Welt sehr wohl.
Die Änderung funktioniert auf folgende Weise:
Man lässt BEIDE Sichtweisen emotional zu. Man gibt BEIDEN Sichtweisen Raum, sich zu entfalten.
Als wäre das noch nicht kompliziert genug, muss ich hier leider noch eine Unterscheidung treffen:
Es spielt an dieser Stelle KEINE Rolle, was man auf der Handlungsebene tut - ob man sich für oder gegen die Beziehung entscheidet. Das kann man wirklich machen, wie man WILL.
Aber: Beide Sichtweisen werden immer wieder wechselnd zum Vorschein kommen. Und dann müssen sie emotional zugelassen werden. Sie dürfen nicht unterdrückt werden. Das ermöglicht nämlich ihre Verarbeitung. Wenn man es schafft, vorübergehend mit dem Widerspruch zu leben und beiden Seiten in seinem Leben Raum zu geben, dann wird sich eine Lösung herauskristallisieren. Die Ursachen des Widerspruchs werden sich zu zeigen beginnen.
Was man auf der Handlungsebene tut, ist relativ egal, solange das Handeln nicht davon getrieben wird, die unangenehmen Gefühle loswerden zu wollen.
Das Handeln sollte dem Willen folgen: Wenn man die Beziehung beenden WILL, dann beendet man sie, wenn man sie aufrechterhalten WILL, dann erhält man sie aufrecht.
Denkbar ist auch, im Handeln den Wechseln zu folgen: Kommen die Zweifel, macht man Schluss, gehen die Zweifel, kehrt man reumütig zurück.
Wichtig ist aber zu wissen, dass das Handeln nicht zwangsläufig an die Gefühle gebunden sein muss. Man kann lernen aufgrund seines Willens und unabhängig von seinen Gefühlen zu handeln, während man aber gleichzeitig die Gefühle voll zulässt. Ich habe das ausführlich in meinem Buch "Inneres Wissen" beschrieben.
Es ist dies ein Prozess, der zu einer Lösung führt - vorausgesetzt, man schafft es, alle Gefühle zuzulassen und wenn sie noch so widersprüchlich sind.
Die Beziehung wird diesen Prozess überleben - oder auch nicht.
Hat man den richtigen Partner gefunden, wird die Beziehung das überleben.
Und jedes Mal, wenn man eine solche Schwierigkeit gemeistert hat und die Beziehung hat es überlebt, wird man feststellen, dass die Beziehung auf eine erstaunliche Weise gewachsen ist.
Das ist etwas, das viele Menschen überhaupt nicht kennen, weil sie diesen Weg noch nie gegangen sind. Die meisten Menschen kennen nur Beziehungen, die über die Jahre immer langweiliger und trister werden bis man den Partner überhaupt nicht mehr wahrnimmt, wie einen alten Schrank, der schon jahrelang an der gleichen Stelle steht.